Amélie Reymond gewinnt eine Weltcup-Kugel nach der anderen. Sie ist die erfolgreichste Telemarkfahrerin der Gegenwart. Eine alte Technik und ihr junges Aushängeschild: die Reportage führt ins Wallis und nach Norwegen, dem Ursprungsland des Telemark.
Die 28jährige Amélie Reymond hasst es, nicht die Schnellste zu sein. Ausgerechnet im letzten Weltcup-Rennen der Saison passiert ihr der Patzer. Nach einer Berührung mit der norwegischen Gegnerin stürzt Reymond in der 360-Grad-Kurve und verliert einen Ski. Sie beendet die Disziplin „Parallel“ auf dem dritten Rang. Es ist erst das zweite Rennen der Saison, welches die Walliserin nicht gewinnen konnte. Der Gesamtweltcup-Sieg und damit die grosse Kristallkugel, hat Reymond trotzdem auf sicher. Bei der Uebergabe der Kugel kehrt ihr Lächeln zurück.
Eine alte Technik, neu entdeckt
Reymond ist eine Ausnahmeerscheinung im Telemark. Sie stieg vor rund zehn Jahren auf die fersenfreie Bindung um und schwärmt, „im Telemark kannst du jedes Gelände fahren, Piste, Tiefschnee, Sprünge und natürlich auch Flachstücke“. Neun Weltmeistertitel und dutzende Weltcup-Siege gehen auf das Konto der Walliserin. Telemark gehört zu Swiss-Ski, fristet aber ein Dasein im Schatten der Alpinen Disziplinen. In Norwegen hat die Disziplin einen etwas grösseren Stellenwert. Telemark heisst die Provinz im Süden des Landes, die der Skitechnik ihren Namen gab. Vor rund 150 Jahren entdeckte ein Schreiner der Gegend, dass mit den Holz-Skis das Fortkommen im Schnee einfacher ist, wenn die Ferse frei ist. Beim Telemarkfahren werden die Kurven mit einem Ausfallschritt eingeleitet, jeder Schwung wird zum Kniefall am Berg. Dass dies selbst im Rennanzug elegant aussehen kann, beweist Amélie Reymond, wenn sie um die Torstangen kurvt oder über die Skating-Strecke wetzt. Telemark-Fahren ist die Vermischung verschiedener Disziplinen innerhalb eines Rennens.
Amélie Reymond trainiert im Winter fast täglich. Vom Telemark leben kann sie nicht. Die ETH-Absolventin arbeitet den Sommer über in einem Spital. Neidisch auf die Alpinen Disziplinen ist sie nicht. „Diese erhalten zwar mehr Geld und Aufmerksamkeit. Wir holen dafür die Kugeln.“
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