Die grösste Elektroschrott-Halde Europas befindet sich auf einem anderen Kontinent: in Ghana, im Westen Afrikas. Unter prekären Bedingungen zerlegen die Menschen dort Europas Wohlstands-Müll. Ein Augenschein vor Ort mit Umwelt-Ingenieur Mathias Schluep zeigt die Kehrseite unserer Jagd auf Konsum-Schnäppchen. Die Reportage entstand für den Themen-Abend “Kauf mich” im Rahmen des Black Friday 2019.

Rezyklieren macht Sinn, aber….

«Agbogbloshie» heisst das Quartier in Accra, der Hauptstadt von Ghana. Der Name steht gleichzeitig für den wohl berüchtigtsten Schrottplatz Afrikas. Auf einer Fläche von 35 Fussballfeldern arbeiten rund 4000 zumeist junge Männer unter freiem Himmel. Oft nur mit Hammer und Meissel ausgestattet, zerlegen sie kaputte Elektrogeräte. Ihr Interesse gilt wertvollen Metallen wie Kupfer oder Aluminium sowie wiederverwertbaren Kunststoffen. Diese lassen sich zu Geld machen. Die Rückgewinnung dieser Materialien macht zwar Sinn, aber geschieht hier zu Lasten der Gesundheit und der Umwelt. Der Boden ist stellenweise öldurchtränkt, giftige Materialien wie Bleiglas liegen herum und in der angrenzenden Lagune schwimmt dermassen viel Müll, dass man stellenweise das Wasser nicht sieht. Schwarzer, dioxinhaltiger Rauch weht über «Agbogbloshie». Der Rauch stammt von Elektrokabeln, welche die Männer ins Feuer werfen, um die Kupferdrähte von der Kabel-Ummantelung zu trennen.

Elektroschrott-Export nach Afrika ist illegal

Geschätzte 17’000 Tonnen Elektroschrott landen hier jährlich. Ein Grossteil davon stammt aus Europa. Und dies, obwohl der Export von Elektromüll nach Afrika durch die «Basler-Konvention» verboten ist. Dass dies dennoch geschieht, ist dem Umstand geschuldet, dass Ghana ein Hub ist für den Import von Secondhand-Geräten. Diese kommen per Schiffscontainer ins Land, was grundsätzlich legal ist. Nur: fast ein Drittel dieser Secondhand-Geräte ist gar nicht mehr funktionstüchtig. Aus der Schweiz wurden vergangenes Jahr 11 Tonnen Elektrogeräte nach Ghana exportiert. Ob neu oder gebraucht, schlüsselt die Statistik nicht auf.

SECO-Projekt will Situation verbessern

Der Schweizer Umweltingenieur Mathias Schluep (50) arbeitet an einem vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO finanzierten Projekt, welches in Ghana eine nachhaltige Recycling-Industrie aufbauen will. «Mein Ziel ist nicht, dass «Agbogbloshie» verschwindet, sondern dass hier umweltverträglich rezykliert wird. Zudem muss die Gesundheit der Leute, die hier arbeiten, geschützt werden.» Das SECO-Projekt unterstützt die Ghanaische Regierung bei der Umsetzung eines Elektroschrott-Gesetzes und hilft beim Aufbau von privaten Recycling-Betrieben. Bis die Massnahmen greifen, wird «Agbogbloshie» ein Mahnmal für ein aus dem Ruder gelaufenes Globalisierungs-Beispiel bleiben.

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